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Sentiments aus einer Zeit, die ewig lebendig bleiben wird.

Kennt jemand Shel Silverstein? Hat überhaupt jemand eine Ahnung, wer Shell Silverstein ist oder war? Ob es wichtig ist, Shel Silverstein zu kennen? Nein. Es geht ums Vergessen und um die Glaubwürdigkeit medialer Prozesse von Einschätzungen und der Vergänglichkeit herausragender Momente. Aber Shel Silverstein war ein Protagonist der Kulturgeschichte, der es verdient, gewürdigt zu werden.

Menschen, die sich mit Illustrationen für Kinderbücher auskennen, könnten vielleicht ein Spur bei der Namensnennung entdecken, da sich Silverstein vor einigen Jahrzehnten in diesem Genre einen Namen gemacht hat. Sein Name gibt den ersten Hinweis, dass Silverstein möglicherweise ein US-Amerikaner jüdischer Abstammung sein könnte. Richtig. Silverstein wurde als Sohn jüdischer Eltern tatsächlich in Key West geboren. Helen und Nathan Silverstein, Shel´s Eltern, gehörten einer ersten Emigrantengeneration an, die aus Europa in die USA übersiedelte. Der Name Silberstein ist in den jüdischen Communities auf allen Kontinenten sehr geläufig.

Interessanter wird es im Bereich der Musik, besser gesagt bei Rock´Roll aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, übrigens der Zeit, in der ich mit Don Mc Lean nicht nur konform gehe, sondern seine Aussage definitiv bestätige: the music began to die.

Er sang:

Now, for ten years we‘ve been on our own

And moss grows fat on a rollin‘ stone

But that‘s not how it used to be

When the jester sang for the king and queen

In a coat he borrowed from James Dean

And a voice that came from you and me

Oh, and while the king was looking down

The jester stole his thorny crown

The courtroom was adjourned

No verdict was returned

And while Lenin read a book on Marx

A quartet practiced in the park

And we sang dirges in the dark

The day the music died.

Dieser kleine Umweg über Don Mc Lean soll nur den atmosphärischen Taste der 60er und 70er Jahre ein wenig auffrischen, denn es geht um eine amerikanische Rockband, deren Erfolg mit Shel Silverstein´s Wirken eng verbunden ist.

Liedzeile

Roland the roadie told Gertrude the groupie

To wait and he‘d be her man…oh…

But while he dreamed of a rose covered home

She was out with the group in the van.

 

Also gut oder es muss auch mal Schluss sein mit der Raterei. Shel Silverstein war ein Songwriter und schrieb die meisten Songs für eine in unseren Gefilden fast vergessene Band namens: Dr. Hook and the Medicine Show. Bekannt geworden durch den Sänger mit dem Cowboyhut und der Augenklappe Ray Sawyer und ein paar Hits zwischen 1 und 100. Die größten Erfolge der Band und von Shel Silverstein waren auch Hits bei uns, vor allem „Sylvias Mother“, „The Story of Lucy Jordan“ oder „Queen of the Silver Doller“. Mit ihrer sakastisch ironischen Ballade über die gepflogenheiten des Musicbusiness in den USA „The Cover of the Rolling Stone“ kamen sie danach tatsächlich auf das Titelblatt des einzigartigen Musicmagazins, allerdings in illustrativer Präsentation.

Vor ein paar Tagen habe ich mir das filmische Portrait über Keith Richards angesehen, weil ich Keith Richards als einen der besten Melodiegitarristen des Rock und Pop halte. „Under the influence“ heißt der Film und so sehr ich das virtuose Gitarrenspiel des Rolling Stone Musikers bewundere, desto weniger kann ich mit der Aussage anfangen, dass die Stones eigentlich keine Mainstream-Band seien. Also Keith, was macht ihr denn seit den Zeiten, als wir wie angestochen nach „The Last Time“, Satisfaction“ und „Street Fighting Man“ getanzt haben? Ein Album, eine Tour nach der anderen, um den Mainstream zu bedienen und als größte Rock´n Roll-Band die Bühnen der Welt zu beherrschen.
Keith sagt in seiner raunenden Stimme, er habe sich immer und überall und von Anfang nur dem Blues verpflichtet gefühlt und stößt danach sein eigenartig rauhes Lachen aus, das auch immer ein wenig verlegen zu sein scheint.
Es stimmt, dass Richards ein Blues-Interpret höchster Güte ist, dennoch wird er nie an die Ausstrahlung von Chuck Berry oder Muddy Waters heranreichen. Weiße Musiker des Rock wurden häufig neben die schwarzen Vollblutsolisten auf eine Ebene gestellt, aber Rory Gallagher, Steve Winwood, Robben Ford, Johnny Winter oder vielleicht Joe Cocker fehlte immer das Quentchen Soul und Heart. Richards hat es immerhin geschafft, den Mood des origonären Blues immer wieder in die Stones Lieder einfließen zu lassen. I am the little red rooster. Off the Hook. Richards ist aber in der Stonesperformance eines für sich einzigartigen Mainstreams gefangen und seine Soloversuche mögen ein wenig ausserhalb des Mainstreams intoniert worden sein, aber Erfolg hatte er nur mit der Geldmaschine „Rolling Stones“. Aber rumhüpfen und mitgrölen wirkte sich wie ein Elektrostoß für die vibrierenden Nerven aus.

Als Fan der 60er und 70er Jahre, Fan ist missverständlich ausgedrückt, denn die Musik dieser Zeit bedeutete sehr viel mehr für mich und traf uns, die wir aus allen Fesselungen der Spießbürgerhölle ausbrechen wollten, mitten ins Herz, in den Bauch und in die Füße.
Auf dem Lande, wo ich einen teil meiner Jugend verbrachte, gab es Beatabende, die von der katholische Kirche arrangiert wurden und mit der Zeit siedelten sich die ersten Diskos an, aber die größten Influencer, wenn ich das Wort mal retro umschmücke, waren AFN, BFBS und der Beatclub aus Bremen.
Die Beatles spielten im Hamburger Star Club und für unsere Schülerzeitung habe ich „Sam the Sham and the Pharaos“ interviewt, als sie ausgerechnet in unserem Kaff der schwarz gestrichenen Seelenfürsorge gespielt haben. „Wooly Bully. Matty told Hatty about a thing she saw. Had two big horns and a wooly jaw. Wooly bully, wooly bully. Wooly bully, wooly bully, wooly bully“. Yeah, das war eines der Highlights in meiner Sehnsucht nach einer mir noch unbekannten Welt, als ich 16 war, die ich jenseits der blue montains vermutete. Obwohl der Text von Sam the Sham eher schlicht rüberkommt und auch nicht den geringsten Hauch von Dadaismus hat, war diese Begegnung mit einem wahrhaftigen Star der Rockmusik wie eine Erscheinung der dritten Art..

Die Pop oder Rockmusik dieser Jahre wird immer unique bleiben und alles, was danach kam, wird auch 2050 überleben. Do wah diddy diddy dom diddy do. Einer meiner ersten Scheiben war die von den Byrds, auf dem sie Bob Dylans „Tambourine Man“ mit 12saitigen Gitarren intonierten und sangen. „Yes, to dance beneath the diamond sky with one hand waving free, Silhouetted by the sea, circled by the circus sands, With all memory and fate driven deep beneath the waves, one.“ Dieser Song gehört auch heute noch zu meiner schönsten Leibspeise des Gesangs, wenn mir wieder mal nach einer Retrospektive in meinem Gehirn ist.

Was anderes. Wer kennt heute noch „The Honycombs“, The Pretty Things“, Gerry and the Pacemakers“, The Small Faces“ oder „The Rightgeous Brothers.“ Ich nehme mal an, dass „The Yardbirds“ auf Grund ihrer Besetzung einigen ein Begriff sein wird.

Aber Dr. Hook and the Medicine Show scheint im Kosmos der Rockmusik verschwunden zu sein, auch wenn viele ihrer Songs einen sehr ironischen oder entlarvenden Blick auf die Zeit des „Monkey Business“ in Music warfen.
Die besten Songs stammten aus der Feder von Shel Silverstein und in meiner Erinnerung übersetzte Harry Rowohlt viele seiner Texte ins Deutsche. Silverstein ist früh verstorben, aber sein Oevre gehört für mich, und da kann jeder sagen, dass ich eine Nostalgie-Macke habe, zum Besten, was in dieser Zeit geschrieben wurde. Marianne Faithful coverte „The Ballad of Lucy Jordan“ und wie oft der Song „Sylvias Mother“ von kleinen Provinzbands bei Tanzabenden gespielt wurde, damit sich Gaby und Gerald näherkamen, wird wohl niemals zu zählen sein. Forty Cents more for the next three Minutes, please . .  . und Knutsch. Vor einiger Zeit dachte ich, dass ich die Melodie von „The Queen of the Silver Dollar“, einem Fußballverein als Fangesang anbieten sollte, denn der Rhythmus und die Melodie können von vielen Stimmen gut mitgebrüllt werden, beispielsweise so: Wir sind die Kings auf den Fußballplätzen und wir lieben unsere Mannschaft, ob sie siegen kann oder nicht, ist ganz egal. Na ja, das kann noch besser werden, aber dafür habe ich momentan keine die Zeit.

Ich höre den Sampler der besten Stücke aus dem Repertoire Hooks und Silversteins immer wieder und freue mich, wenn Pennicilin Penny und Freaking at the Freakers Ball erklingt. Dr. Hook and the Medicine Show blieb sechs oder acht Jahre als Gruppe zusammen, danach ging Sawyer eigene Wege, die im universalen Gedächtnis der Rockmusik keine Rolle spielen.

Bei einigen Aufnahmen im Studio scheinen die Jungs dermaßen bekifft oder angetrunken gewesen zu sein, dass es ihnen gleichgültig erschien, was alles in die Tonbandaufnahme hineinflutschte. Albernes Gekicher zwischen einzelnen Zeilen geben den ohnehhin scherzhaften Eskapaden in der von Marihuana geschwängerter Luft den einzelnen Songs noch mehr Athenzität dieser wilden Jahre nach 1968. Ich habe einmal einen Film von einer Bandprobe gesehen und dieses Filmschnipsel bestätigt meine Aussage.

Das Schicksal einiger guter oder origineller Gruppen teilen sehr viele, denn der Rock der Gründerzeit von Gitarren, Schlagzeug und Gesang dominierter Musik beschränkt sich nicht auf die unkaputtbaren Beatles, Stones, Who, Kinks, Pink Floyd, Beach Boys oder Led Zeppelin, die zwar entweder aufgehört haben, zusammen zu spielen oder ihre Besetzungen dermaßen immer wieder umbesetzt haben, dass der Eindruck entsteht, den Namen solange hoch leben zu lassen, wie die Kasse klingeln kann.

Die Beatles drifteten auseinander und aktuell sind nur noch Ringo und McCartney als Solisten aktiv, bei den Stones geht es allmählich einer Endphase zu, denn Charlie Watts ist inzwischen 80 und der Jüngste Ronnie Woods hat auch schon die 74 erreicht und spielt erst seit 1975 in der Formation. Was Mick Jagger betrifft, befürchte ich, dass er immer wieder durch ein entsprechend ähnlich aussehendes Double ersetzt wird und die nächsten Generationen überleben wird. Die Who verloren früh den genialen Trommler Keith Moon, den das Rauschgift zerbröselte und ob der Rest irgendwann noch einmal WHO sein werden, ist mehr als fraglich. Die Kinks waren frech und besangen das London der Zeit, als sich in der Portbello Street eine neue Welt auftat, haben aber seit Jahren nichts mehr gemeinsam ausgetüftelt. Der Band Pink Floyd wurde vor einigen Jahren eine großartige Ausstellung im Victoria & Albert Museum gewidmet, ansonsten macht jeder sein eigenes Ding. Die Beach Boys, diese hochbegabte Truppe, die a capella wunderbar zu den Wellen des Pazifics singen konnte, hörte irgendwann vor langer Zeit auf wie Buffallo Springfield oder the Greatful Dead. Und die Led Zeppelins, eine meiner Favorites sind schon lange auseinander und versuchen die Fülle ihrer Tantiemen unter die Leute zu bringen, Bob Dylan hört nie auf und vielleicht ergeht es ihm wie Cohen, der am Ende fast nur noch raunte oder nur noch eine halbe Oktave aus den Stimmbändern quetschen konnte, was seinem Charisma nicht gschadet hat. Vergessen wir nicht die tausenden inzwischen namenlos gewordenen Bands auf der ganzen Welt, die es nie zu Erfolg oder gar Reichtum brachten.

Dr. Hook´s Rocksongs wurden in 70er Jahren teilweise mit gerümpfter Nase beschnuppert und als Kitsch oder Comedy eingestuft, aber damals haben die meisten die Texte von Silverstein gar nicht gelesen oder übersetzt oder überhaupt verstanden. Beispielsweise „Sylvias Mother“, die als weinerliche Ballade mit jaulender Gitarrenbegleitung abgetan wurde, aber eine richtig gute Story war, weil allein die immer wiederkehrende Ansage “ 4o Cent more for the next three minutes, als genialer Erzähltrick funktionierte, um das flennende Betteln des tief verletzten jungen Mannes im Gespräch mit der Mutter seiner Angebeteten, zu konterkarrieren. Das war eine real story, umd die Ereigenisse alltäglicher Banalitäten größter Brisanz zu entlarven und bei den Hörern reflexive Assoziationen freizusetzen. Warum die Mutter den Anrufer so vehement davon abhält, mit der Tochter zu sprechen, ist zu ahnen. Kennen wir das nicht aus unserer Jugend, wenn man für manche Eltern nicht gut genug oder standesgemäß war? Heute geschieht eine derartige Trennung mittels SMS, Twitter oder E-Mail.

Zum Schluss möchte ich noch auf den ausgezeichnten Film „Wer ist Harry Kellerman von Ulu Grosbard mit Dustin Hoffman und Barbara Harris von 1971 hinweisen. Eine Kritik.

Rotten Tomatoes

There’s a certain flabbiness in its philosophy. And yet, I reacted very favorably to some scenes in the film, and I think Hoffman’s two long scenes with Barbara Harris are among the best cinema I’ve seen in some time.

Roger Ebert von der Chikago Sun-Times.

Gedicht von Silverstein

There is a place where the sidewalk ends

And before the street begins,

And there the grass grows soft and white,

And there the sun burns crimson bright,

And there the moon-bird rests from his flight

To cool in the peppermint wind.

Zitat Silverstein

„There‘s a Polar Bear In our Frigidaire – He likes it ‚cause it‘s cold in there

 

Dr. Hook (Mitte mit Augenklappe) and the Medicine Show