Unser Apartment in der Nähe des Giardino Inglese liegt direkt unter dem Dach eines herrschaftlichen Hauses, aber die architektonische Ausgestaltung des Raumes hat kaum einen Quadratzentimeter verschwendet. Man gelangt eigens nur dafür gefertigte, aus einer Stahl-Holzkonstruktion bis nach oben ins Schlafzimmer. Dieses Schlafzimmer ist aber eigentlich nur eine eingezogene Ebene, da in diesen Häusern, die Decken 4 Meter hoch sind. Alles ist da. Eine kleine Küche, ein Badezimmer mit Dusche, ein Schreibtisch, Schränke und Konsolen und als Clou erreicht man über eine weitere Treppe eine eigens auf das Dach gebaute Terrasse, die wir leider wegen des Regens noch nicht benutzen konnten. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir schon nachts hören können, ob es regnet, wie stark es regnet und ob der Wind in seiner Stärke normale Geschwindigkeiten überschreitet.
Gestern haben wir zunächst den Normannen Palast aufgesucht und besichtigt. Wir waren früh da, als wir gingen, wurde das Bauwerk von Schulklassen überflutet. Palazzo Reale wird es genannt. Im 9. Jahrhundert errichtete ein Emir, damals war die Insel von nordafrikanischen Truppen besetzt worden, an der höchsten Stelle der Stadt eine Sommerresidenz. Dann kamen die Normannen mit Roger I. und hinterließen überall ihre Spuren, aber nicht nur sie fanden das sizilianische Eiland besonders reizvoll und strategisch wichtig, vorher hatten sich schon Phönizier, Karthager, Griechen, Byzantiner und Römer die Insel untertan gemacht. Alle schenkten uns während ihrer Besatzungszeiten architektonische Kostbarkeiten in deren eigenständiger Bauweise. 1194 lösten die Staufer die Nordmänner ab und Friedrich II. baute die Stadt zu einer prächtigen Residenzstadt um. 1282 war auch diese Epoche vorbei und Karl von Anjou verleibte sich Palermo ein. Also waren an den stilprägenden Epochen auch die Franzosen beteiligt. Aber Karl mochte lieber in Neapel regieren und überließ Sizilien seinem Schicksal. Die Insel verarmte. Es kam zu Spaltungen und 1412 lösten die Spanier, genauer Aragon, die Franzosen ab. Die Herrscher wechselten weiter, Savoyer und Österreicher folgten. Schließlich musste auch noch Napoleon einmarschieren und den Inselstaat erneut französieren. Erst 1860 kam mit Garibaldi der Mann, der anschließend Italien gänzlich einigen sollte. Im Palazzo Reale finden sich überall Spuren dieses europäischen Wechselspiels wie in ganz Palermo. Heute tagt das Parlament im Herkuelssaal des Königspalastes.
Später zog es uns zu einem kleineren Palazzo in der Nähe der Kathedrale, der zu den Besonderheiten der Stadt zu zählen ist. Der Palazzo Federico, genauer des Conte Federico in der Via Biscottari 4. Durch ein prächtiges mittelalterliches Tor gelangen wir in den etwas im Häusergewirr versteckten Palast. Federico war in 60er und 70er Jahren einer der Rennfahrer, die die Formel I belebten. Seine Gattin Alwine, eine Österreicherin hat die Heimstatt des Adelsgeschlechts für das Publikum zugänglich gemacht, wahrscheinlich auch, weil ein solches Gebäude enorm kostspielig ist und nur mühsam zu unterhalten ist, wenn man nicht Millionen auf der hohen Kante hat. Offensichtlich floss das Geld des Conte in seine Leidenschaft, den Motorsport. Herzstück des Palastes ist ein Wachturm der alten Stadtmauer. Er wurde „Turm von Scrigno“ genannt und diente der Verteidigung der Stadt. Unmittelbar an der Stadtmauer befand sich einer der Meeresarme, der die Stadt umfasste.
Heute kann man im Turm zwei schöne zweiflügelige Fenster bewundern, ein normannisches und ein aragonesisches, in denen sich die authentischen Wappen der Stadt Palermo, der Schwaben und der Aragonesischen Herrschaft vereinigen.
Vom Innenhof aus, der vom großen Barockarchitekten Venanzio Marvuglia mit Steinschnitzereien verziert ist, führt eine große rote Marmortreppe ins Hauptgeschoss mit seinen vielen Sälen, in denen sich die vielen unterschiedlichen Epochen widerspiegeln. Überall finden sich die originalen Möbel und viele Gemälde berühmter Künstler vergangener Zeiten. Die im 15. Jahrhundert bemalten Holzdecken sind ein besonderes Schmuckwerk wie auch die Fresken aus dem 18. Jahrhundert von Vito D’Anna und Gaspard Serenario. Salons, Bibliothek, Fechtzimmer, Schlafgemächer, Küche und andere Räume reihen sich aneinander. Eine Besonderheit sind einerseits die vielen Trophäen, die die Dame des Hauses bei Schwimmwettbewerben gewonnen hat wie das Zimmer des Grafen, das vollgestopft mit Utensilien seiner Rennfahrerzeit ist, vor allem mit vielen Pokalen der unterschiedlichen Autorennen. Der Großvater schuf das berühmte Autorennen „Targa Florio“, deren Streckenführung ganz Italien umfasste. Der junge Graf Federico Andrea, der uns bei dieser Führung mit großem Wissen begleitete, erklärte uns die Geschichte des Palazzo wie die der vergangenen Jahrhunderte, die hier ihre Spuren hinterließen. In einem Musikzimmer, die Gräfin war offensichtlich eine gute Sängerin, steht der Flügel, den Wagner 1882 in Palermo spielte.
Garibaldi war ein sehr guter Freund des Hauses und die Beziehungen gingen soweit, dass die Eroberung Italiens und die nachträgliche Einigung zur Nation 1865 auch mit dem Geld des Adelsgeschlechts der Grafen zustandekam.
Am Nachmittag klarte der Himmel auf und ich bin noch das gesamte Hafengebiet und die anschließende Promenade abgelaufen, um bei diesem nachmittäglichen Licht einige besondere Fotos zu schießen.
Wolfgang Neisser, 24. März 2018