Das Tief westlich Irlands beschert uns kühles und regnerisches Wetter, während jenseits des Rheins bis nach Russland die Menschen einen Brutofen von über 30 Grad ertragen müssen. Es gab mal eine Baufirma Hoch-Tief, vielleicht bestehen sie noch, wenn nicht, sind sie vielleicht ins Wettergeschäft eingestiegen und dirigieren aus einem Wolkenkratzer in Katar, welches Wetter sie den Europäern gönnen können. Westlich des Tiefs liegt aber ein Azorenhoch, welches nach Osten drückt und wieder einmal befinden wir uns genau dazwischen. Gestern Nacht prasselte der Regen dermaßen heftig auf das Dach unseres Hauses, dass ich zeitweise dachte, wenn das so bleibt, kann es nicht heiter werden. Oder doch? Was sagt uns der Ausdruck „Es kann noch heiter werden“, wobei das Gegenteil zu befürchten ist? Ist es so wie in Frankreich, wenn gesagt wird „Je te dit merde und damit Glück gemeint ist? Die Wetterkarte der Bretagne unkte schon vorher von drei wasserreichen Tagen, wenn dem so ist, können wir gleich im Bett liegen bleiben. Nein, das lasse ich nicht zu, schließlich wartet meine Arbeit auf mich. Heute Morgen begrüßte uns aber ein freundlicher Tag, mit weißen Wolken und Sonnenschein, der sich zwischen den Wolken durchgedrängt hatte und immer wieder einmal für längere, sonnige Perioden sorgte.
Ich würde mich über ein Dreifach Hoch vom Sanitätsgefreiten Neumann freuen, der die Wolkenverschiebetechnik ausgetüftelt hat, weil tiefer als tief kann kein Tief sein und in Wirklichkeit über uns, ziemlich tief am Himmel, eine Wolkendecke gespannt ist, die der Sonne nur wenige Chancen lässt, ein klein wenig ihre Strahlen übers Land zu schicken. So war es jedenfalls bis gestern. Es ist für jeden Rheumatiker eine verzwickte Frage, ob man jemand Hoch leben lässt oder tief fallen lassen kann, solange das Bücken zumindest bis zum nächsten Bückling reicht, was wiederum manchem an die verflixten Gräten (Poisson) denken lässt, auch an die eigenen.
Die Bretonen, die ich bis jetzt kennengelernt habe, richten sich in der Zeit ein, weil sie seit ewigen Zeiten wissen, wie schnell alles kommt und vorbei geht. Morgens platscht der Regen in Strömen auf die Dächer und mittags kann schon ein sanfter Sprühregen wie ein Nebel über dem Land liegen, allerdings ein Regen, den man gut ertragen kann, wenn man es gewohnt ist, ihn ertragen zu müssen. Regen, das bedeutet für mich deutsche Verhältnisse, wobei es in Asien mit dem Monsum wesentlich heftiger sein kann. Bei uns würden die Leute bei so einem Wetter darüber fluchen, dass der Tag damit vermiest würde und ärgerlich werden, wenn so ein feiner Regen von morgens bis abends wie nasser Staub sich selbst und alles um einen herum mit einem feuchten Film überzieht. Hier scheint so ein Niederschlag, der mit dem Begriff nur das „nieder“ aber nichts mit „schlag“ gemein hat, als gegeben betrachtet werden und ist keines Kommentares würdig. Der Niesel- oder Sprühregen bringt nur den Nachteil mit sich, dass die Gläser der Brille immer beschlagener und verschmierter werden und das Licht nur bedingt bis zum Sehnerv durchdringen kann. Im Supermarkt mit Maske und vorher auf dem Parkplatz mit Regen, kann es leicht passieren, eine Gurke mit einem intergalaktischen Geschlechtsteil zu verwechseln, was dem Glauben an Ausserirdische weiterhin beflügeln wird. Elon Musk wird uns schon aufklären, wenn einige seiner Höflinge mal durchs Weltall geschossen wurden. Die nassen Haare und die nach außen gekehrten Stoffe der Kleidung trocknen schnell wieder, denn zwischendurch legt der Regen immer wieder für ein paar Minuten bis zu einer Stunde Pausen ein. Wenn die Sonne durch die Wolkendecke bricht, freut man sich, ohne gleich in Jubel zu fallen, weil der Pessimist in uns am Horizont schon wieder eine kleine, schwarze Wolke entdeckt hat. Das ist eben so und gibt keinen Anlass, stimmungsmäßig übermütig zu werden. Man kann ja lesen oder Gymnastikübungen versuchen oder sich dem überflüssigen Denken hingeben. Das Wetter ist so, wie es kommt und daran hat sich der Bretone schon seit vielen Generationen gewöhnt. Oh, ça fait rien. Dieses Tief, so sagen sie, wird auch vorübergehen, spätestens nach der nächsten Marée, die ändert immer alles. Die nächste große Marée kommt am 26. Juni, wenn der Mond sich wieder einmal voll aufgeplustert haben wird. Da freuen sich die Pecheur a pieds und die Mondsüchtigen habe extravagante Träume oder pilgern im Haus hin und her. Der Mond und das Meer ist eine Geschichte für sich, die selbst Wissenschaftler manchmal ratlos werden lassen.
Im übrigen gibt es noch den Wind, der erledigt den Rest und überhaupt hat der Wind, der beständig bläst, dafür gesorgt, dass die Inzidenzzahlen in der Bretagne nicht so hoch klettern konnten. Mit dem Wind wurden auch die Viren weggefegt und vertrieben. Während im übrigen Frankreich der Wind eine nicht so große Rolle spiele, meinen sie, hätten auch die Viren größere Chancen gehabt, sich auszubreiten und zu vermehren. Warum aber gerade im Department Nord bei Calais und Boulogne sur Mer die Zahlen mehr als in anderen Regionen derart massiv anstiegen, obwohl es gerade dort so windig ist, mag keiner erklären. Richtig ist aber, dass die sozialen Verhältnisse, die Arbeitslosigkeit, schlechte Gesundheitsvorsorge und die schaurige Situation der vielen Migranten, die alle aus welchen Gründen auch immer nach England wollen, als ein wichtiger Indikator für das pandemische Hoch an der Kanalküste im Osten gesorgt hat. Es ist nicht einfach bei scheinbar sich selbst erklärenden Tatsachen, die Gründe im Großen und Ganzen zu suchen und deren Hintergründe zu durchleuchten. Nach dem Motto, was hat das Klima bei uns mit der Abholzung des Regenwaldes oder der Massentierzucht zu tun.
Nun muss ich vorausschicken, dass das Netzteil meines Laptops den Weg alles Irdischen genommen hat und auch durch eine Notoperation nicht mehr zu retten war. Also konnte ich nicht mehr an allen Stellen des Hauses mein Mitteilungsbedürfnis ausleben, weil ich zudem auf dem iMac, den ich immer für die Erstellung meiner Bilder mitnehme, kein Login in meine Blogseite bekam. Bis gestern. Mein Schwiegersohn ist so nett, mir das von hier übers Internet bei ebay gekaufte und an ihn und meine Tochter geschickte neue Ersatzteil wiederum an mich zu senden, welches vielleicht bis Anfang nächster Woche hier sein wird. Ein Bild ist schon entstanden: Recycling von Aluminium zu neuen Produkten, um eine weitere Erdausbeutung dieses Metalls zumindest einzuschränken. An Bolsonaro sehen wir, dass Diktatur und Dummheit, Ignoranz und Hybris alle Anstrengungen, den Klimawandel zu stoppen, kläglich an derartigen Vollpfosten scheitern können. Das heißt aber nicht, dass wir in unserer Komfortwelt nicht alles, jeder für sich und alle zusammen, so viel wie möglich unternehmen müssen, um zumindest immer mehr Menschen aufzuklären und zu einem eindringlichen Transformationsbewusstsein zu bewegen.
Die Bretagne liegt bis zu den großen Ferien in einem halbwachen Dornröschenschlaf und wenn dann die Parisien kommen und die Holländer, Belgier und Deutschen wird sich die Situation von einem Tag zum anderen schlagartig ändern. Kommen die Briten hinzu, wo die Deltavariante der Mutation inzwischen gefährlich wuchert, kann es schnell wieder zu einem Einreisestopp mit Quarantäne kommen. Schließlich gehören die britischen Nachbarn, auch oder gerade, weil der Kanal sie vom übrigen Europa trennt, nicht mehr zur EU und Boris Johnson muss laut den Aussagen seines ehemaligen Beraters vor und während der Pandemie in good old England ein ganz schlimmer Finger gewesen sein, was die Maßnahmen zur alles umfassenden und schnell in die Weg zu leitenden Gesundheitsvorsorge in Großbritannien betrifft. Neben Johnson muss zuallererst der als Ungeist immer noch in den USA herumspukende Trump, Bolsonaro, Erdogan oder Putin genannt werden, die alle nicht nur Meister im Lügen und Betrügen sind, sondern auch darauf scheißen, was mit dem Planeten in Zukunft geschehen wird.
Inzwischen wurden zurecht die neuen Virusmutanten aus politischer Corectness und der offensichtlichen Stigmatisierung ganzer Völker in unverdächtige Namen umgewandelt, weil chinesisch, britisch, südafrikanisch oder indisch die in diesen Ländern wohnenden Menschen komplett unter Generalverdacht gestellt und ein schiefes und ungerechtes Bild der pandemischen Ursachen als Schuldzuweisungen erteilt hätten. Deshalb bleibt es aber richtig, dass die ersten Erreger in Wuhan auftauchten und weitere Mutanten rund um London oder Johannisburg ihr Unwesen trieben. Die Frage taucht auf, warum ausgerechnet da und welche Gründe könnte es dafür gegeben haben? Dass sich Viren überall tummeln ist ein Binsenweisheit, aber nicht alle dieser kleinen kaum zu benennenden Gattung Kleinstmaterie haben diesen wütenden Killerinstinkt. Wuhan als Stadt und die virologische Forschungseinrichtung in dieser Stadt sind nebensächlich, aber dass der Mensch den Lebensraum wild lebender Tiere immer weiter eingeschränkt hat und die Population der Einwohner explosionsartig gestiegen ist, führte erst dazu, dass zoonotische Übertragungen dieser Viren sehr viel einfacher vonstatten gehen konnten und schneller möglich waren, den Körper des Menschen zu befallen. Die Menschen in und um Wuhan sind dem Gürteltier und der Fledermaus oder dem Flughund so nahe auf die Pelle gerückt, dass deren Viren besonders Besucher der Nassmärkte mühelos infizieren konnten. Die außergewöhnlichen Nahrungaufnahmegewohnheiten der chinesischen Bevölkerung verzeichnen eine lange Tradition.
In China lebten vor siebzig Jahren, als der Staat von Mao gegründet wurde, nur ein Drittel soviele Menschen wie heute. Wuhan ist die Hauptstadt der Provinz Hubei und zählte 1953 27.789.693 Millionen Bewohner, heute leben dort laut letztem Zensus im Jahre 2000 59.508.870 Millionen Menschen. Machen wir uns nichts vor, die demografische Entwicklung aller Bewohner unseres Planeten ist eng mit dem Klimawandel verbunden, zumindest das kann nicht mehr geleugnet werden, auch wenn die demografische Entwicklung in einigen Ländern Europas und Nordamerikas seit Jahren rückläufig ist. Wuhan hätte auch Manila, Patna, Tak, Manaus, Jaunde oder Kinshasa heißen können. Vielleicht sogar jede größere Stadt, die in jedem beliebigen Kontinent als gutes Terrain für zoonotische Übertragungen von Viren in Frage gekommen wäre. Oft wird vergessen, welche Infektionskrankheiten mit epidemischen oder pandemischen Ansteckungsrisiken immer noch die Welt verunsichern: Ebola, Grippe, Cholera, Typhus oder Dengue beispielsweise. Können Zecken, Wanzen oder Kakerlaken nicht auch zur virologischen Übertragungsgefahr werden, wie einst die Ratten, die mit der Pest Millionen Menschen dahingerafft haben? Hühner, Schweine und Rinder wurden schon einmal im Prinzip zu unschuldigen Tätern und das war nicht im Mittelalter, sondern in diesem und im letzten Jahrhundert. Wir müssen uns darüber klar sein, dass viele unserer Krankheiten selbst gemacht sind und dass wir durch unseren Lebenswandel und vielen anderen Indikatoren der weltweiten konsumistischen Entwicklungsphasen selbst gemacht sind. Dass wir allein durch sitzende Haltungen unser Rückgrat und unsere Knochen in den Extremitäten schädigen, von den Malaisen, die unseren Kopf in eigenartige und rätselhafte Schwingungen und Veriirungen verstzen können, ganz zu schweigen, ist nur eine der Folgen eines neuen Lebensstils in der zivilisierten (halbzivilisierten) Welt. Wie ich, der ich hier in der Bretagne sitze und mit Denken versuche, meine Sicht der Dinge in Buchstaben umzusetzen. Habe ich etwa einen missionarischen Drang oder bin ich nur einfach bleed? Egal, das muss man schon mir überlassen, wie ich mein Kreuz schädige und was ich mit meiner Gehirnmasse anfange.
Was würde geschehen, wenn die liebsten Haustiere, Hund und Katze, über Nacht mit bösartigen Viren auch unser Leben bedrohen würden? Wir ahnen gar nicht, welche noch nicht zu benennenden Krankheiten durch unseren High-Fidelity-Dasein und unser Konsumverhalten erst in Zukunft Angst und Schrecken verbreiten werden. Medizin und Pharmakologie entwickeln sich zwar auch weiter, das konnten wir überzeugend an der sehr schnellen Bereitstellung eines neuen Impfstoffes bewundern. Was danach geschah und viel mit Politik und Angst und Blödheit zu tun hatte, wird bei den Leuten schnell wieder vergessen sein. Der Wahlkampf steht an, da heißt es sich laschetieren oder scholz auf sich zu sein und das müssen alle erfahren, die irgendeines Willens sind oder auch diejenigen, die sich inzwischen schon willenlos dem Diktat von oben ergeben haben. Auch von ganz oben.
Wie sich die neuen, schnell auf den Markt geworfenen Injektionslösungen in Zukunft auf unser menschliches Lebenserhaltungssystem auswirken werden, kann keiner sagen. Meine Impfungen sind vollständig, also doppelt, und bei der als priorosiert eingestuften Lebenserwartung könnte ich mich bedenkenlos zurücklehnen, aber ob das der Pflegekasse oder den politischen Renteneindampfern gefällt, wage ich zu bezweifeln. Die Alten, immer die Alten, verfressen und versaufen den gesamten Rentenschatz, der jetzt von unseren Nachkommen erwirtschaftet wird. Dabei ist die Rente ein Generationenvertrag und wir beide haben zusammen mindestens fünf Kinder gezeugt und bis ins Studium begleitet und mit Stolz sahen, dass heute alle in Lohn und Brot stehen. Wie hieß der Film mit Heinz, dem Rühmann der braunen Kulturschickeria noch: Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr und von mir kommt der Zusatz, Vater bleiben ist Gewähr. Die Mütter singen noch ein zeitraubenderes Lied, dass man als Mann als Entschädigung für Kochen, Putzen und Waschen nur Feminist werden kann und selbst das ist immer mit einem bitteren Nachgeschmack verbunden.
Bei der Pandemie sind inzwischen erste Verdachtsmomente für Unverträglichkeiten und Spätfolgen schon heute vereinzelt zu beobachten. Johnson, Trump, Bolsonaro waren infiziert, ob das deren merkwürdige Verhaltensweisen erklären können, die beobachtet wurden? Irgendwie bin ich vom Hölzchen aufs Stöckchen gekommen, aber in derartigen Gedankenspaziergängen kann das schon einmal meine Synapsen auf Hochtouren jagen, was ich aber als kreatives Kolleteralmäandern dadaistischer Konvenienz akzeptiere.
Zurück nach Guingamp und den Ereignissen oder Stillständen der letzten drei Tage.
Zukunft Tang
Immer das Wetter, das ist des Zeitgenossen wichtigste Tagesinformation. Wir werden sehen, jetzt warte ich nicht mehr auf besseres Wetter, wir freuen uns über eine lachende Sonne, die uns schmeichelnd bestrahlt und inzwischen sind die ersten sonnigen Regungen schon in uns zu bemerken. Es muss nicht gerade die 30 Grad-Marke geknackt werden, aber ein paar Tage Sonnenschein mehr wären sehr angenehm und würden auch meinen Knochen gut tun.
Beide Wetterlagen gehören nicht zu meinen Favoriten, 14-18 Grad erscheint mir für Ende Juni als zu kühl und 35 Grad in Berlin, Köln und anderswo, das habe ich schon erlebt und kenne es zur Genüge als Stumpfheit, Dauerduschen oder lustlosigkeit. Eine derartige Hitze weicht das Gehirn auf und raubt die noch vorhandene Energie bei jeder Bewegung, ob man draußen herumläuft oder in einer nicht sehr gut isolierten Wohnung seinen Verrichtungen nachgeht. Achtung Dachgeschoss, noch mehr Achtung, ohne Kopfbedeckung eine größere Wanderung zu unternehmen, wenn das Ziel überhaupt zu erreichen ist. Männlein und Weiblein kochen innerlich und müssen aufpassen, dass die Haut keinen nachhaltigen Schaden erleidet. Vorsicht Hautkrebs, Vorsicht Klimawandel. Wer nicht gerade in einem See oder einem Freibad im Wasser planscht oder in einem schattigen Wald spazieren geht, setzt seine Gesundheit einem hohen Risiko aus. Ja, ja, werden wiederum viele sagen, da ist es einmal richtig warm, dann meckern die Leute, dass es ihnen zu heiß ist, wäre es so kühl wie hier, würden einige Himmel, Erde und Wolken verfluchen und sich behaglichere Temperaturen wünschen. Wie das Wetter auch reagiert, der Mensch muss es aushalten, denn gegen die Hochs und Tiefs der meteorologischen Turbulenzen kann der Erdenbewohner kaum was ausrichten. Das ist auch die Strafe für 200 Jahre mit verbundenen Augen um das goldene Kalb des Fortschritts und des Kapitals herumzutanzen und so zu tun, als würde der Raubbau an der Natur, der Luft, der Erde und des Wassers als „Gott gegebenes“ Recht auf die Beherrschung des Planeten keinerlei Folgen haben.
Es gibt noch eine kleine Chance, den Klimawandel aufzuhalten oder einzuhegen, aber dafür müssen die Lügen, die Ignoranz und die von den Quandts, Musks und Co bestimmte Selbstregulierung der Märkte rigoros abgeschafft werden. All die seit jeher gepredigten Scheinversprechen der so oder so Herrschenden, ob in Politik, Wirtschaft, Bildung oder Kultur sind zu entlarven und können nur durch eine Abrechnung mit der Vergangenheit als Transformation der Systeme erreicht werden. Wie schon von Karl Polanyi Ende der Vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts genau analysiert und als finale Möglichkeit für das Überleben der Menschheit und der Erde vorausgesehen wurde. Sein Denken kann jeder in dem Buch „Die große Transformation“ nachlesen und die realistische Einsicht verinnerlichen, dessen Untersuchungen, Konzepte und Ideen real werden zu lassen. Let´s go.
Möglichkeiten, sich das Leben in Kälte und Hitze so angenehm wie möglich zu gestalten, gibt es genügend, aber der Rhythmus des Lebens und der vorbei streichenden Zeit wie unserer täglichen Verrichtungen haben sich dermaßen in unsere körperliche wie geistige DNA eingeschlichen und festgesetzt, dass wir nur mit Selbstbesinnung und einem radikalen Umdenken einen Weg finden können, um unser Leben und das unserer Nachkommen vor einer Katastrophe zu bewahren. Es kommt auf die Haltung an, die Haltung gegenüber allem, was in uns und in unserer Umwelt geschieht und welche Folgen es nach sich ziehen kann und wird. Weiter machen wie bisher, hieße den Strick um den Nacken noch fester zu ziehen und uns einer Fatalität zu ergeben, die vollkommen egoistisch ist. Mit dem Strick um den Hals sitzen wir schmatzend, selbstzufrieden vor uns hindösend, die Augen vor der Wirklichkeit verschließend am Tisch des Überflusses und der Fülle in einem scheinbar sicheren Paradies, dessen mögliches Ende viele von uns schon lange verdrängt haben. Eine Minderheit aller Menschen auf dieser Erde lebt in der höchsten Komfortzone des Konsumwahns und der uns hypnotisierenden Freizeitbegehrlichkeiten, in der jeder, wie er will mit der schnellen Befriedigung seiner Wünsche und seiner Vorlieben immer noch gut existieren kann. Selbst diejenigen, die als die sozial Schwächsten, allen Grund hätten, aufzubegehren, haben sich in ihrem eigenen Schlaraffenland des Prekären gemütlich eingerichtet, denn solange die großen Supermarktketten mit den billigen Preisen auch verseuchten Lachs für 4 Euro, künstlich aus Maschinen gequollenes Tiramisu für 3 Euro oder ein Sixpack chemisch gebrautes Bier ebenso für einen sehr niedrigen Preis in die Regale stellen (die Liste ließe sich endlos fortsetzen) und zusätzlich viele Alimentationschancen für den Zugriff auf das notwendige Kleingeld ermöglicht bekommen, besteht kein Grund zum Klagen. Viel erbärmlicher ergeht es denjenigen, die in miesen Zweit- und Drittjobs mit kläglichem Lohn ausgebeutet werden und gezwungen sind, sich dem industriellen Lebensmittel- und Bekleidungswahnsinn (da gibt es noch sehr viel mehr Wahnsinn) zu unterwerfen, um überhaupt über die Runden kommen. In diesem Zusammenhang ist es müßig auf die auseinander klaffende Schere zwischen arm und reich und den obszön zu beurteilenden Zuwachs der Superreichen zu erwähnen. Bald ist Wahl, da bietet die Demokratie jedem eine Chance, mit seiner Stimme etwas zu verändern, allein die Demokratie ist inzwischen so heruntergekommen, dass im Parlament die von den Bürgern gewählten Vertreter, (bestimmt nicht alle) von Lobbyisten umsorgt und gepäppelt werden und teilweise die Geschicke des Landes mehr beeinflussen als die dann beeinflusste Gesetzgebung der bräsigen GroKo. Der gemeine Volksvertreter, einmal gewählt, zieht in einen Bundestag ein, dessen von außen eindringende Verlockungen jeder leicht erliegen kann. Seit Jahren dreht sich eine Spirale, die der wahren Demokratie, also dem Willen des Volkes, schon im Ansatz des Wahlprozesses Lügen straft. Vom Grundgesetz wollen wir gar nicht mehr reden. Der Gewählte braucht die Wähler und versucht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln diese Wähler zufrieden zu stellen. Die Industrie mit deren Interessenvertreter, die dem Kapital oder dem Shareholder-Value verpflichtet sind, brauchen den oder die Abgeordneten, um deren Interessen und Begehrlichkeiten möglichst profitabel zu erfüllen. Ist der Wähler so dumm, dass er nicht sieht, was für Kandidaten der Eitelkeiten, der Unkenntnis und der Profilneurosen in den Ring steigen? Die dümmsten aller Kälber wählen ihre Metzger selber. In der gesamten Periode, die der Wahl als regierungszeit folgt, vier Jahre in Deutschland, fünf Jahre in Frankreich, ewig in Russland (nicht lupenrein), nehmen die meisten Wähler mehr oder weniger hin, was im Parlament beschlossen wird, mache kümmern sich überhaupt nicht darum, was schon an der Zahl der Nichtwähler von ca. 35 Prozent abzuschätzen ist. Selbst in der Pandemie scheint es manchem Volksvertreter opportun zu sein, sich mit halblegalen oder kriminellen Machenschaften zu bereichern. Das wäre jetzt ein Thema, über das ich sehr viel schreiben könnte, aber wer seine Augen und Ohren richtig benutzt, weiß wie das Urteil über die Erosion der Postdemokratie ausfallen wird. Wer denkt, ich würde von mir ausgedachte Schreckensszenarien an die Wand malen, braucht sich nur die letzten zwanzig (bis 40) Jahre Klimapolitik, Gesundheitsvorsorge, Bildungswesen, Lohnpolitik, Arbeitnehmerrechte, Steuergesetze, Automobilwahnsinn oder das Recht auf Wohnen anzuschauen.
2003 gab es schon einmal eine Sars-Covid Klein-Epidemie und einige Virologen in Universitäten oder gesellschaftspolitischen Institute versuchten händeringend Gelder aus dem Staatssäckel zu bekommen, weil sie ahnten, dass irgendwann in den nächsten Jahren eine viel größere Krankheitswelle auf uns als Pandemie zu rollen würde. Es gab kein Geld und das Thema wurde schnell vom Tisch gewischt. Deutschland war Vorreiter in der technologischen Entwicklung für Sonnenstrom als große Chance, erneuerbare Energien flächendeckend zu installieren. Anfangs wurden die Sonnenkollektoren auch bei uns gebaut und Deutschland galt als Wunderland der Energiewende. Viele werden sich die Szenarien des Solardebakels erinnern, denn schon im Jahr 2000, da regierte noch Rot/Grün, begann der Niedergang des Flaggschiffes Solarzellenproduktion. 2010 ging es dann rapide abwärts, die Q-Cells in Bitterfeld-Wolfen galt als größte Solarfabrik Europas, aber von den 133.000 Arbeitsplätzen 2010 sind heute noch rund 33.000 übrig geblieben. Wie konnte das geschehen? Gerangel um zu hohe Löhne, das Hätschelkind Braun- und Steinkohle oder die von einigen externen Großunternehmen gewünschte Ignoranz der Regierung, zerstörte die Zukunftschance, dem Klimawandel schon viel früher mit Vehemenz und neuer Energie entgegenzutreten. Politische Interventionen, Ignoranz und mangelndes Interesse ließen in Deutschland viele innovative Produktionsunternehmen für klimaneutrale Energie vor die Hunde gehen oder erst gar nicht erst die Produktion anzukurbeln. Die Chinesen erkannten die Chancen und die chinesische Politik unterstützte mit aggressiven Methoden und staatlichen Unterstützungen den Aufbau der Solarindustrie made in China. Schließlich gibt es im Land des Staatskapitalismus mit Millionen sehr bescheidenen Menschen viele kleine Händchen und Hände die wesentlich kostengünstigere Solarzellen produzieren können. Zwei Beispiele von vielen. Inzwischen musste die Politik einsehen, dass im Zuge des internationalen Klimaabkommen, den immer stärker werdender CO2 Emissionen in die Atmosphäre, den steigenden Meerespegeln, den Aktivisten von Fridays for Future, Greenpeace und Robin Wood und sehr vielen nicht staatlichen Initiativen, es so nicht weitergehen konnte und dass in Zukunft viel mehr getan werden muss, um das Schlimmste im Klima der Zukunft zu verhindern. Man darf aber getrost sein, dass diejenigen, die gestern noch den Klimawandel als Chimäre abtaten oder einfach ignorierten, heute wieder bei den ersten sein werden, die sich an den neuen industriellen Fortschrittsmethoden eine goldene Nase verdienen werden. Der Kapitalismus oder das neoliberale System ist schließlich so gestrickt, dass wer oben ist, auch oben bleiben kann oder noch höher kommt. It´sthe system, stupid.
In der Bretagne ist die Sonne zurückgekommen. Gestern schien sie den ganzen Tag und auch heute lässt sie sich den ganzen Tag über sehen, auch wenn weiße Haufenwolken in Kolonnen bisweilen über das sattgrüne Land ziehen. Wir waren inzwischen in ein paar kleineren Städten unserer nächsten Umgebung. Größere Siedlungen, auch Städte genannt, die am Meer liegen. In Paimpol, dem kleinen Hafenstädtchen im Norden haben wir seit langer Zeit zum ersten Mal wieder ein Restaurant besucht. Diese Visite ist uns sehr gut bekommen, vor allem mein erster bretonischer Muscheltopf mit gebratenen Speck und Sahne, eine sehr schmackhafte Variante des immer gleichen Muschelrezeptes. Das Craftbier der Bretonen verändert schon beim ersten Schluck das Gesicht zu einer verzerrten Fratze, so bitter darf das Leben nicht sein und schafft es nicht durch meine Gurgel, wird niemals meinen Magen erreichen.
Seit gestern erstrahlt die Gegend im hellen und wärmenden Sonnenlicht unter dem aquamarin über uns schwebenden blauen Himmelsdach. Die mit Schiefer gedeckten Hausdächer der aus grauem Granit gebauten bretonischen Häuser glänzen wie Perlmuttschalen und in jedem Dorf entdecken wir romanische und gotische Kirchen, deren architektonische Bauweisen bisweilen Rätsel des wie und warum durch unsere Köpfe und Gespräche tanzen lassen. Eine derartig lebendige und Auge und Seele befriedigende Naturlandschaft der vielfältigesten Vegetationsformen wie Laubwälder, hochstehende Pappeln oder gedrungere Ulmen links und rechts der Chausseen, satte Weidenflächen mit, man würde es ihnen wünschen, glücklichen Kühen. Immer wieder stoßen wir auf wild wachsende oder vom Menschen in Form geschnittene Hecken, schreiten über weiche Moosteppiche und die belebenden Temperaturen um 20-25 Grad erwecken in uns ein Gefühl der größeren Zufriedenheit bis in Augenblicke des Glücks, des Petit Bonheur. Il ya un journee éte qui ne craint pas le Demain.
Die Côte d´Armor scheint weniger touristisch im Griff der Massen zu sein wie das Morbihan oder Finistère, aber bis jetzt sind noch kaum ärgerliche Urlaubsauswüchse zu beobachten. Am Sonntag in Paimpol streiften zwar schon viele Besucher um den kleinen Hafen herum, aber offensichtlich waren das zur Mehrzahl bretonische Sonntagsausflügler. Gegen 19 Uhr, wenn die Restaurants ihre mittägliche Ruhezeit beenden, füllten sich aber die außengastronomischen Tische , die wegen zu erwartender Regenfälle unter Marquisen warten, in Windeseile, wobei immer zu bedenken ist, dass unsere französischen Nachbarn die Liebe zur guten Küche und abendfüllenden Plauderdiners sehr lieben. Während des langen Lockdowns mussten sie schlimmste Mangelzustände ertragen, sodass sie die Öffnung der Lokale wie ein messianisches Wunder herbeigesehnt haben. Es war der Tag vor Sommeranfang und nun warten wir auf die große Marée, die bei Vollmond die höchste Flut und die weiteste ins Meer reichende Ebbe mit sich bringt. Ich habe keine tanzende Hexe gesehen, aber dafür schlecht angezogene Tennissocken-Kurzhosenträger und Tigertatzensportschuhe in denen mindestens 150 kg steckten.
Morgen sind wir zwei Wochen unterwegs und es hat sich inzwischen viel getan, allerdings waren die ersten Tage durch den versuchten Betrug des Vermieters bei Vannes und der anschließenden Suche eines neuen Hauses und den daraus folgenden Umzugskalamitäten nicht gerade geeignet, die Stimmung so zu heben, dass wir sagen können, alles war bisher gut, alles hat gepasst. Schade, so ein Typ, der andere zu bescheißen versucht, raubt einem mindestens drei bis fünf Tage, ehe man wieder einigermaßen geradeaus denken und handeln kann.
Hier in Guingamp leben wir auf hohem Niveau und unsere Mahlzeiten sprechen für sich: Merlin, Cabillaud, des Huitres, Artichocs, beste Tomaten, Bohnen, Coquelettes, Käse aller Regionen, Beurre Salé, Gateau Breton avec Framboises, Paté Forestiere, Riz avec Courgettes au Tante Paulette. Heute gibt es erst Artschocken, die so groß sind wie eine Bowlingkugel, Lammcotes mit Bohnen und Bratkartoffeln a la Campagne. Auf meiner Ideenliste stehen noch einige leckere Agrar- und Meerespfrüchte, gemeint sind Fische, Muscheln, Crevettes, Meeresspinnen und vielleicht auch mal ein Hummer, gedacht für Mahlzeiten, die mir den Gaumen schon jetzt wässrig machen.
Zum Petanque. Mit Jacques, der ein hervorragender Gastgeber und zuvorkommender Mensch mit vielen positiven Fähigkeiten ist, bin ich auf das Terrain de Petanque gefahren, obwohl über den ganzen Tag Regen angesagt war. Überflüssig zu erwähnen, denn Regen kann jederzeit als feiner Wasserstaub, als Landregen oder als Platschregen jeden Spaß verderben. Bon.
Drei Damen und drei Herren fanden sich ein und wir haben eine Partie unter vielen Schwatzereien zu Ende gebracht. Die Herren gewannen, nachdem die Damen schon auf 0:7 davongezogen waren. Trotz Regen habe ich dann meine Jacke ausgezogen, um mich besser bewegen zu können und mit einigen guten Portées und au fer-Schüssen mit Jacques und Jean-Paul die Partie 13:7 gewonnen. Jacques, der behauptet, niemals Petanque gespielt zu haben, aber Boule Breton, so etwas wie Bocchia, erwies sich als perfekter Leger. Oder war es das Glück des unverkrampften Anfängers? Derartige Überlegungen führen zu nichts, denn auch diese weitverbreitete Mär ist nichts weiter als eine Prise aus der Legendbildung im Boulelatein. Sept arret. Schwachsinn. Die zweite Revanchepartei fiel buchstäblich ins Wasser, weil wir nach 4:0 wegen herunterströmenden Wassers den Tag auf dem Terrain beenden mussten.
Eigentlich wollte ich heute spielen, aber Gestern Abend habe ich mir ein wenig das Kreuz lädiert, so dass ich in eine Phase der schmerzlichen Unbeweglichkeit katapultiert wurde. Zudem lief das schreckliche Fußballspiel gegen Ungarn im TV, über das ich wirklich nichts mehr zu sagen habe. Am Dienstag fährt die Tour de France hier in der Nähe vorbei. Ich stehe auf einem Kirchturm und werde euch mit der kölschen Flagge zuwinken. Nein, lieber doch nicht, ich vermisse die Domstadt wirklich nicht. Außerdem kann es im Live-TV passieren, dass ich übersehen werde, weil so eine Flagge den Bretonen schon zuvor zu verdächtig vorkommt.Wer das verpasst hat und die Zusammenfassungen sieht, sollte wissen, dass so ein Kameramann/frau auch nur das zu sehen bekommt, was am Schneidetisch übrig geblieben zurechtgestückelt wird. On verrons.
Wolfgang Neisser 25. Juni 2021